Sprachenlernen wirkt Demenz entgegen

KOGNITIVE VORTEILE DES SPRACHENLERNENS

Wer eine Fremdsprache lernt, verspricht sich davon positive Auswirkungen auf seine Kommunikationsfähigkeit und sein interkulturelles Verständnis. Weniger bekannt ist aber, dass Zweisprachigkeit auch gut ist für das Gehirn. Sie geht nicht nur mit erhöhter Konzentrations- und Multitaskingfähigkeit einher, sondern beugt auch geistigem Abbau und Demenzerscheinungen vor. Das Erlernen einer Fremdsprache weist eine ganze Reihe positiver Nebeneffekte auf:

1. Der Alterungsprozess wird verlangsamt

Das Training für die grauen Zellen ist fester Bestandteil des Sprachenlernens und man nimmt an, dass es zur geistigen Fitness beiträgt. „Untersuchungen haben ergeben, dass Zweisprachigkeit den normalen Abbau bestimmter kognitiver Funktionen verlangsamen kann, der bei den meisten Menschen mit dem Altern einhergeht. Gemeint ist die Verschlechterung des Gedächtnisses oder der Konzentrationsfähigkeit“, so Antonella Sorace, Professorin an der Universität Edinburgh und Leiterin von Bilingualism Matters, einem Informationszentrum zum Thema Zweisprachigkeit.

2. Die Konzentrations- und Multitaskingfähigkeit fällt höher aus

„In mehreren Studien wurde festgestellt, dass Menschen, die mehr als eine Sprache beherrschen, sich besser konzentrieren können“, fügt Sorace hinzu. Man vermutet hier einen kausalen Zusammenhang. Da es unmöglich ist, zwei Sprachen gleichzeitig zu sprechen, muss man bei der Verwendung einer Sprache alle anderen vorübergehend ausblenden. „Dieser Effekt zeigt sich außerhalb des Sprachbereichs in einer allgemeineren Fähigkeit, sich produktiv zu konzentrieren“, bestätigt sie.

Analog dazu wurde in einer US-amerikanischen Untersuchung der Behörde NIH (National Institutes of Health) beobachtet, dass zweisprachig aufgewachsene Kinder besser zwischen Aufgaben hin und her wechseln können als solche, die nur eine Sprache lernen.

Zweisprachigkeit kann den Alterungsprozess bremsen

3. Möglicherweise wird Demenz vorgebeugt

Studien zeigen außerdem, dass Menschen, die mehr als eine Sprache sprechen, Demenzsymptome bis zu viereinhalb Jahre später entwickeln als andere. In einer aktuellen Untersuchung mit Demenzkranken in Norditalien zeigten sich bei zweisprachigen Menschen in Kernspintomographien stärkere Vernetzungen zwischen bestimmten Gehirnarealen. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese anatomischen Veränderungen mehrsprachige Menschen besser vor den durch Alzheimer verursachten Schäden schützen.

Darüber hinaus ergaben Untersuchungen der Universität Edinburgh, dass Schlaganfallpatienten höhere Chancen haben, ihre kognitiven Funktionen zurückzuerlangen, wenn sie mehr als eine Sprache sprechen. Das könnte auf die geistige Agilität zurückzuführen sein, die für den Wechsel von einer Sprache zur anderen erforderlich ist.

4. Das Verständnis der Zielsprache wird verbessert

Durch das Lernen neuer Grammatikregeln und Vokabeln wird nicht nur das Gedächtnis gestärkt, sondern man erhält auch eine neue Perspektive auf die eigene Muttersprache. Nach meinem Studienabschluss in modernen Sprachen erhielt ich eine erste Stelle als Lektorin bei einer Zeitschrift. Zu meinen Aufgaben gehörte, die Grammatik, Rechtschreibung und den Stil der Texte zu prüfen. Diese Fähigkeiten werden trainiert, wenn man sich in ein anderes Sprachsystem vertieft.

5. Für den Einstieg ist es nie zu spät

Darüber hinaus gibt es Indizien dafür, dass ein positiver Effekt erzielt werden kann, unabhängig davon, in welchem Alter man mit dem Sprachenlernen beginnt. Professorin Sorace erklärt: „Es scheint, als kämen die Vorteile nicht nur Menschen zugute, die schon als Kinder mehrere Sprachen erlernen, sondern auch solchen, die später damit beginnen.“ Deshalb kann die Aneignung einer neuen Sprache eine unterhaltsame und interaktive Möglichkeit sein, die grauen Zellen auf Trab zu halten – vergleichbar mit dem Erlernen eines Musikinstruments oder dem Schachspielen.

Alex Reece ist freiberufliche Autorin, Lektorin und Sprachlehrerin.

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